In aller Kürze: „HeXXen 1730“

hexxen-coverVor zwei Wochen ging HeXXen 1730 online, scheint aber (geschätzt an der Zahl dortiger Kommentare) bislang noch nicht auf die Resonanz gestoßen zu sein, die es meiner Ansicht nach verdient – deshalb möchte ich hier kurz auf dieses kostenlose deutschsprachige Indie-Rollenspiel aufmerksam machen. 

HeXXen 1730 aus der Feder von Mirko Bader spielt in einem alternativen Europa des namensgebenden Jahres 1730, 90 Jahre nachdem eine Gruppe Söldner im Dreißigjährigen Krieg versehentlich in einem alten Kloster ein Tor zur Hölle geöffnet und damit finsterste Mächte auf die Alte Welt losgelassen hat. Hexen, Dämonen und Ungeheuer machen seitdem Europa unsicher, und die Menschen leben in einem ständigen Kampf gegen die Schrecken der Hölle. Die Spieler verkörpern Schattenjäger – Individuen, die Ungeheuer zur Strecke bringen und das Volk vor den teuflischen Mächten schützen wollen.

Das Regelsystem ist recht einfach, aber in mancher Hinsicht bemerkenswert. HeXXen 1730 verwendet ein W6-Poolsystem ähnlich Shadowrun, Proben werden wie dort auf Attribut+Fertigkeit gewürfelt, jede 5 oder 6 stellt einen Erfolg dar. Die Charakterentwicklung ist eine Mischung aus Stufen- und freiem Kaufsystem. Es gibt sechs verschiedene Klassen von Charakteren mit jeweils (sehr) individuellen Fertigkeiten. Jede Klasse kann mit entsprechenden Fertigkeiten eigene Meta-Ressourcen generieren, die in Kämpfen für besondere Effekte ausgegeben werden können, daneben gibt es Lebens-, Kraft- und Spirituelle Punkte, die auch zur Verbesserung oder Wiederholung eigener Würfe eingesetzt werden können. Die Fähigkeiten der sechs Klassen zeigen, dass hier eine Art Rollenteilung wie in MMORPGs als Inspiration diente, ohne jedoch zu sehr auf einzelne Aspekte eingeschränkt zu sein. Das Kampfsystem zeigt ebenfalls solche Anleihen und einen cineastischen Anspruch, indem auf genaue Bodenpläne verzichtet werden kann, Gegner allerdings z.B. abstrakt gebunden werden können und unterschiedliche Waffen erlauben, Feinde in unterschiedlichen Positionen (Nahkampf, Fernkampf, gebunden, ungebunden etc.) auf dem Kampfplatz anzugreifen.

Der allgemeine Hintergrundteil gibt einen kleinen Einblick in die Welt des Barock, vor allem in Hinsicht darauf, wie sich die Welt von Hexxen 1730 von unserer Vergangenheit unterscheidet. Dementsprechend ist er eher kurz geraten, beinhaltet aber die wesentlichen Inhalte für das Setting; das Spiel ist nicht auf Hartwurstigkeit ausgelegt, aber das 17. und 18. Jahrhundert sind an sich recht einfach recherchierbar, wenn man selbst mal mehr Infos braucht. Auf für das Spiel wichtige Elemente, wie die „Seelenenergie“, die technomantische Entwicklungen antreibt, wird ausführlich genug eingegangen.

Beim Lesen drängen sich wilde Assoziationen zu verschiedenen Vorlagen auf, die Mirko auch explizit nennt: Hexxen 1730 fängt den Geist von Filmen wie „Van Helsing“, „Brothers Grimm“, „Pakt der Wölfe“ oder „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ ein. In dieser Explizität ist das Thema meines Wissens nach recht einmalig. HeXXen 1730 ist ein thematisch fokussiertes Rollenspiel, was den Vorteil hat, dass es seine Regeln auch genau auf dieses Thema zuschneiden kann.

Bleibt noch das schicke Layout zu erwähnen, das komplett mit zeitgenössischen Bildern illustriert ist, was deutlich zum Flair beiträgt und ungewohnt, aber sehr stimmungsvoll anzusehen ist. Auch eine kleine Kampagne wurde in dem umfassenden, etwas über 120 Seiten starken Dokument nicht vergessen, ebenso wie es schon ein weiteres kurzes Abenteuer zum Download gibt und bereits ein erstes Erweiterungsbuch angekündigt wurde.

HeXXen 1730 ist meiner Ansicht nach definitiv einen tiefergehenden Blick wert. Sicher gibt es einige Dinge, die ich persönlich vielleicht anders machen würde (z.B. die etwas verschwommenen Stufenaufstiegsregeln – ein Stufenaufstieg findet statt, wenn der Spielleiter es als angemessen erachtet, und dann erhält jeder Spieler 10 Kaufpunkte zur Verbesserung seines Charakters – warum nicht gleich die Stufen sein lassen und diese Erfahrungspunkte in kleineren Portionen verteilen?), die auf den ersten Blick etwas kompliziert erscheinen (etwa die verschiedenen Ressourcen) oder die einen ungewohnten Anspruch haben (wie die Rollenverteilungen und das MMOige taktische Kampfsystem), aber mir sagt das Setting sehr zu und die Regeln klingen innovativ genug, um sie auch gerne ausprobieren zu wollen.

Herunterladen könnt ihr es hier.

 

Habt Ihr Euch HeXXen 1730 schon angeschaut? Habt Ihr es gespielt? Was haltet Ihr davon?

4 Kommentare zu “In aller Kürze: „HeXXen 1730“

  1. Jan sagt:

    Sehr schön zusammengefasst. Ehrlich gesagt habe ich auf mehr davon auf dem HeXXen-Blog selbst schon gewartet, auch wenn es davon schon einiges gibt. Mir fehlt mal wieder die Zeit das Regelwerk selbst zu lesen aber gleichzeitig das komplette Bild, um da wirklich eine Meinung zu zu haben, aber der Artikel hilft sehr und es klingt gerade wegen des Settings und der allgemeinen Regelumsetzung sehr interessant. Ich werde den Artikel hier auch mal für etwas Werbung nutzen.

  2. Ingo sagt:

    Zunächst einmal vielen Dank für die gut geschriebene Review. Liest sich wirklich überzeugend. Ich habe mir Hexxen selbst kurz angeschaut. Ein Interview mit dem Autoren ist geplant.

    Zwei Anmerkungen:

    1. Die Exposition – das Öffnen des Höllentores – erinnert ein wenig an das französische Skirmish Tabletop Helldorado (heute Cipher). Dort wird ebenfalls ein Portal geöffnet und die Menschen schicken sich an, nun die Hölle zu erobern. Dieser spezielle Dreh dürfte ein Unterschied sein.

    2. Ausgehend von Deiner Beschreibung und meinem Kurzeinblick sehe ich eine gewisse Nähe zu dem Rollenspiel Witch Hunter (Paradigm Concept).

  3. Johannes sagt:

    Wer es nicht allzu weit hat, der kann ja diesen Samstag den 22. März nach Nordhessen zum Limburger Rollenspieltreff kommen. Dort bietet der Autor auch eine Testrunde HeXXen 1730 an neben über 20 weiteren Spielrunden, die geboten werden. Hier ist der Link: http://rpgstammtisch.wordpress.com/.

  4. […] deutsche System habe ich vor mehr als drei Jahren, als es noch ganz frisch war, bereits mit einem kurzen Artikel hingewiesen. Dann ging der Autor Mirko Bader zu Ulisses, man werkelte noch lange Zeit daran rum, und […]

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