Pandora: Kampagnentagebuch 2

Im ersten Teil des Kampagnentagebuchs habe ich die Ausgangssituation unserer Pandora-Kampagne skizziert; Skaris, eine Thrakerin, trifft auf der kleinen Insel Kyra Panagia auf die beiden Spartaner Periphas und Briarios, die dort aus der Gefangenschaft auf einem Piratenschiff fliehen können. Die Helden erfahren, dass es auf der Insel Probleme gibt – Menschen, Ausrüstung und Vorräte sind verschwunden. Bei ihren Nachforschungen finden sie (nach einem Kampf mit belebten Tonstatuen) heraus, dass dies mit einem dubiosen Mechanikos aus Kreta namens Oïkles zu tun hat, der sich offenbar auf der Nachbarinsel niedergelassen und den Dorfvorsteher Gryllos (der dort seine Kriegsbeute versteckte) gezwungen hat, ihn mit Waren zu versorgen. Die Charaktere einigten sich mit diesem darauf, den Mechanikos aufzusuchen und davon zu überzeugen, das Dorf Agios künftig in Ruhe zu lassen – auf welchem Weg auch immer.

Hier nun also der zweite und abschließende Teil des ersten Szenarios. Diesmal mit Handouts.

 

Suche nach Oïkles

Periphas, Briarios und Skaris stachen mit dem geliehenen Boot des alten Alypias in See und erreichten nach Stunden ruhiger Fahrt die Nachbarinsel. Diese besteht westseitig aus einem einzigen Hang, der auf der Ostseite in steilen Klippen zum Meer abfällt; Gryllos hatte erzählt, dass es oben auf den Klippen einen Luftschacht gibt, durch den man wahrscheinlich in das Höhlenversteck hinunterklettern kann, sowie einen breiten Zugang auf der Ostseite, der in einen natürlichen Hafen in einer riesigen Höhle führt.

Die Helden landen an der Westseite der Insel an, ziehen ihr Boot an Land und verstecken es so gut wie möglich im Gebüsch. Man steigt den Hang hinauf und findet nach kurzer Zeit den Felskamin und kann von oben die Einfahrt in den unterirdischen Hafen zwischen den Klippen erkennen. Während einer kurzen Beratung, ob man die Höhle von der Wasserseite oder kletternd durch den Schacht betreten soll, wird bei einem Blick durch den Kamin ein Licht entdeckt; eine Person kippt dort unten offenbar Abfälle in einen tiefer führenden Spalt. Das macht die Entscheidung nicht einfacher; man entscheidet sich schließlich, zunächst zu versuchen, die Steilklippen hinunterzuklettern und einen Blick in die Hafenhöhle zu werfen – womit die Spartaner etwas überfordert sind, doch Skaris kann gut klettern und erreicht nach einem strapaziösen Abstieg die Einfahrt. Drinnen erblickt sie eine gewaltige, von vereinzelten Öllampen erleuchtete Höhle mit einem Landungssteg, an dem ein Schiff liegt, und einer höhergelegenen Balustrade, von der aus offenbar weitere Gänge ins Innere der Höhlen führen. Das Schiff erkennt sie als jenes der Piraten, die Briarios und Periphas gefangengenommen hatten. Die Thrakerin klettert also zunächst wieder nach oben und man beratschlagt sich, ob die Seeräuber mit dem Mechanikos unter einer Decke stecken; die Entscheidung für die Wahl des Einstiegs fällt schließlich nach Verwerfung einiger verwegener Pläne – deren Krönung ein Ablenkungsmanöver der Thrakerin wäre, die sich auf dem Meer vor der Einfahrt als Wassernymphe ausgibt – für den Zugang durch den Kamin. Zum Glück hat man Seile und Fackeln dabei, wenn auch Vorsicht geboten ist, denn die Helden wissen nun, dass sich in den Höhlen wahrscheinlich wenigstens zwei Dutzend Piraten aufhalten.

1: Hafenhöhle 2: Beutekammer 3: Gemeinschaftsraum 4: Kammer des Mechanikos 5: Abfalloch / Kamin 6: Vorratskammer

An dieser Stelle empfehle ich einen Blick auf den beiliegenden Plan; der Zugang durch den Kamin ist die Nummer 5. Skaris klettert zuerst hinunter und hört deutliche Geräusche von vielen Personen von hinter dem nördlichen Vorhang. Ein Blick hinter den südlichen Vorhang offenbart eine Vorratskammer voller Amphoren, Kisten und Säcken. Die Spartaner klettern schließlich ebenfalls hinunter (am Seil kein Problem) und man verbirgt sich zunächst in der Vorratskammer. Skaris soll die Höhle weiter auskundschaften, da sie offenbar die Geschickteste ist und man im Fall einer Entdeckung darauf baut, dass sie sicher nicht sofort von den Seeräubern erkannt wird. Man bemerkt schnell die improvisierten Barrikaden in dem schmalen Gang, der nach Süden führt, und die Helden vermuten, dass dies etwas mit dem Mechanikos zu tun haben könnte – vielleicht hab die Piraten sich auch mit ihm angelegt?

So leise wie möglich räumt man einige Trümmer beiseite und schleicht in den Gang, in dem man Blutflecken und im Eingang des anschließenden Raumes einen großteils zerstörten, aber dennoch mit einem Speer nach den Charakteren stochernden Automaten entdeckt. Die Tonfigur ist schnell zerstört und die Kammer des Mechanikos erreicht, in der die Leiche des Oïkles auf einem Bett inmitten von mechanischen Gerätschaften, Metallteilen und Notizen liegt. Der Kreter ist offensichtlich verdurstet. Bei der Durchsuchung des Raumes entdecken die Helden neben einem Plan der Höhle eine Art Abschiedsbrief, den der Mechanikos der Nachwelt hinterlassen hat. Durch diesen wird die Situation minimal klarer. Mit den Andeutungen über einen Aufstand auf Kreta und einem „Kult der Nachtblauen aus dem Westen“ können die Helden allerdings noch nicht viel anfangen – was sie wissen ist, dass Kreta sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark vom Rest der Welt abgeschottet hat – fremde Schiffe durften die Insel nicht mehr anlaufen und Ausländer sie nicht betreten, jeder Handel fand nur noch über Kolonien wie Akrotiri nördlich von Kreta statt. Vielleicht hat dies etwas mit diesem Kult und den „neuen Mysterien“, von denen der Mechanikos schrieb, zu tun? Diese Fragen bleiben vorerst offen.

Verstörend ist außerdem, dass Oïkles den Anführer der Piraten Iasos nennt, was nun auch der Name des seltsamen, in eine dunkelgrüne Robe gekleideten Anführers derjenigen Piraten ist, die das spartanische Dorf überfallen und Periphas und Briarios gefangengenommen haben – rückblickend betrachtet müsste dieser Iasos damit aber zeitweise gleichzeitig in Lakonien und hier auf der Höhleninsel gewesen sein. Zumindest wurde durch den Brief des Mechanikos klarer, warum man die Spartaner überhaupt gefangennahm, denn als potentielle Sklaven konnte die sich keiner vorstellen. Wer wäre schon so verrückt, einen Spartiaten als Sklaven zu halten? Ihre angedachte Rolle als Menschenopfer bestärkte Periphas und vor allem Briarios jedenfalls in ihrem Plan, von den Piraten möglichst wenig übrigzulassen.

 

Kämpfe und Siege

Skaris erkundet anschließend die restliche Höhle; zu einer gefährlichen Situation kommt es, als sie einen Blick in den Gemeinschaftsraum riskiert und dabei der Vorhang reisst, was einigen Piraten, die in der Nähe sitzen, nicht entgeht. Die Thrakerin versteckt sich hinter dem Abfallloch, als der Seeräuber dem Geräusch nachgeht und einen ausführlichen Blick in den Raum mit dem Kamin wirft… der Spielleiter hätt’s vergessen, doch die entsetzten Gesichter der Spieler und eine entsprechende Bemerkung riefen ihm ins Gedächtnis, dass da ja noch das Seil zur Oberfläche hängt. Das wäre es dann eigentlich für die Unbemerktheit gewesen, da ich selbst die Sache aber dieses dummerweise sogar vergessen hätte (warum auch immer) bot ich den Spielern einen Eingriff per Heldenpunkten (der Metaspielmechanismus, den ich demnächst vielleicht noch ausführlicher erkläre) an – einen pro Nase, und der Pirat bemerkt wie durch ein Wunder das Seil nicht. Das war schnell abgemacht, und die Gruppe atmete auf, als der Seeräuber, offensichtlich auf dem Seil-Auge blind, sich wieder verzog, da er Skaris in der Dunkelheit nicht entdeckte. Die hatte allerdings im Gemeinschaftsraum neben einer ganzen Horde von Piraten auch einen grobgezimmerten Käfig mit einem Gefangenen darin gesehen. Nach einiger weiterer Schleicherei beratschlagte sich die Gruppe nun wieder in der Kammer des Mechanikos – für die Spartaner war klar, dass die Piraten eine gerechte Strafe ereilen sollte, gleichzeitig war man sich einig, dass man den Gefangenen aus Menschenopferungsgründen nicht hierlassen dürfte, zumal man (korrekterweise) vermutete, dass es sich dabei um den vor kurzem verschwundenen Fischer aus Agios handelt, den Ehemann der scheinbaren Witwe, bei der die Spartaner einquartiert wurden. Gleichzeitig war aber auch klar, dass die drei Helden es nicht frontal mit zwei Dutzend Piraten aufnehmen konnten, auch wenn diese Option durchaus taktisch erwogen und analysiert wurde; denn mit Schild und Speer könnte Briarios sicher einen der Gänge gegen eine Übermacht halten, doch fand sich keine Stelle im Höhlensystem, die gleichzeitig einen Rückzugsweg („sonst geht’s uns wie dem Mechanikos“) und eine entsprechende Engstelle ohne weitere Zugänge geboten hätte.

Deswegen wurde am Ende beschlossen, dass in erster Linie der Kapitän der Piraten (den man auf dem Schiff vermutete) getötet und der Gefangene befreit werden sollte – idealerweise noch in Kombination mit einer Zerstörung des Piratenschiffes, soweit dies möglich war. Der Plan sah vor, dass die beiden Piraten im Halbschlaf, die auf der Balustrade Wache standen, von den Spartanern aus dem Hinterhalt erledigt werden sollten, dann die weiteren an Deck des Schiffes ausgeschaltet werden sollten – all das möglichst so schnell, dass keiner laut genug Alarm schreien konnte, um vom Rest der Seeräuber im Gemeinschaftsraum gehört zu werden. Der Rest des Plans sah eine Menge Lampenöl, Feuer auf dem Schiff und der Balustrade und einen anschließenden schnellen Rückzug nach Rettung des Gefangenen und kurzem Abstecher in die Beutekammer vor.

Dieser an sich solide Plan ging – beinahe wider Erwarten – praktisch ideal auf. Die beiden Wächter auf der Balustrade wurden von den Spartanern von hinten in einen Würgegriff genommen und ausgeschaltet, ohne Alarm geben zu können oder mit Wilhelmsschrei nach unten zu stürzen. Die drei weiteren Piraten an Deck des Schiffes wurden Opfer einer geschickten Kriegslist; Skaris und Briarios verbargen sich an den Aufgängen der Balustrade, bis Periphas eine der Leichen der Wachen nach unten stieß und die andere aufrecht vor sich hielt, damit es so aussähe, als ob einer der beiden den anderen heruntergestoßen hätte. Der Plan geht auf: die Leiche fällt, die drei Piraten rennen vom Schiff herbei, zwei von ihnen laufen nach kurzer Untersuchung des Toten weiter zum nächstgelegenen Balustradenaufgang. Die Kommunikation der Seeräuber verstehen die Helden zwar nicht, doch Briarios wirft seinen Wurfspeer aus dem Hinterhalt und schaltet einen von ihnen mit einem kritischen Treffer aus, während der andere durch zwei Angriffe von Skaris aus dem Hinterhalt fällt. Der dritte, der noch bei der Leiche kniet, wird von dem zweiten Toten begraben, den Periphas auf ihn herunterstößt, und der beide Körper anschließend als Landeplatz für einen Sprung von der Balustrade benutzt – danach ist auch dem letzten schnell der Garaus gemacht. Der Radau hält sich insgesamt in Grenzen und drang offenbar nicht bis in den Gemeinschaftsraum – wohl aber eventuell auf das Schiff, das die Helden nun stürmen. Sie reißen die Tür der kleinen Kajüte auf, wo der Kapitän der Piraten, ein narbenübersäter großer Kerl, sich gerade von seiner Koje erhebt und nach seinen Waffen greift – doch Briarios ist schneller und durchbohrt ihn mit seinem Speer; durch einen kritischen Fehlschlag beim Verteidigungswurf ist auch dieser Kampf damit sehr schnell vorbei. Bei der Leiche des Kapitäns entdeckt man einen groben Schlüssel und ein seltsames Amulett, das sich glitschig und kalt anfühlt.

Beides wird mitgenommen und der Rest des Plans in die Tat umgesetzt: Lampenöl aus der Vorratskammer wird auf Seile und Segel des Schiffes sowie auf den Bohlen der Balustrade verteilt, und ersteres in Brand gesteckt, während die Charaktere sich wieder in den Höhlengängen abseits des Gemeinschaftsraums verbergen. Als die Piraten das Feuer riechen und zum Schiff laufen, entzünden die Helden das Öl auf der Balustrade und schneiden ihnen somit den Rückweg ab – genug Zeit, um den Schlüssel am Holzgitter vor der Beutekammer einzusetzen, ein paar Beutestücke und Rüstungsteile einzusacken und den Käfig mit dem gefangenen Fischer zu öffnen. Mit diesem flieht man wieder über den Kamin aus der Höhle, läuft zum Boot und sticht in der beginnenden Morgenröte in See Richtung Kyra Panagia. Die Menschen dort sind aus dem Häuschen, den verschwundenen Syennesis wiederzusehen, und die Helden erzählen Gryllos bei einem ausführlichen Frühstück von ihren Erlebnissen.

Der weitere Plan sieht vor, noch einige Tage auf Kyra Panagia zu bleiben, um abzuwarten, ob die Piraten eventuell einen Vergeltungsschlag starten, anschließend noch einmal zu der Höhleninsel zu fahren und diese noch einmal zu untersuchen; denn der Landungssteg bot dort Platz für zwei Schiffe, und Iasos, der nachtblaue Kultist mit der potentiellen Fähigkeit zur Bilokation, war dort nicht zu finden. Man geht davon aus, dass die anderen Piraten sich von dort schnell zerstreuen, denn ihr Kapitän ist tot, und ihr Schiff konnten sie bestimmt zumindest rudimentär seetüchtig erhalten oder auf die Schnelle reparieren.

 

Nachbetrachtung

Alles in allem war auch dieses Session ein Erfolg, wenn auch zum Ende hin durch etwas Zeitdruck geprägt. So sehr, dass der eigentliche dritte Teil dieses Szenraios, den ich eigentlich noch vorbereitet hatte, komplett unter den Tisch fallen musste – aber die Sache ist nicht verloren und wird einfach später erneut aufgegriffen. Insgesamt war dieser Termin erwartungsgemäß sehr kampf- und taktiklastig, aber die Pläne und Aktionen der Charaktere waren allesamt gut, ebenso wie fast alle ihre Würfelwürfe, was man von denen des Spielleiters nicht wirklich sagen kann. Mehrere kritische Fehlschläge machten nicht nur der Entdeckung der schleichenden Helden durch die Höhlen, sondern auch einem längeren Endkampf mit dem Piratenkapitän einen Strich durch die Rechnung.

Wäre an diesem Termin mehr Zeit gewesen, hätte ich wahrscheinlich einige davon durch Schicksalspunkte (das Spielleiter-Äquivalent zu Heldenpunkten und die bessere Alternative zum Würfeldrehen) ausgeglichen, um noch mehr Dramatik und unvorhergesehene Herausforderungen einzubringen, aber eine Streckung des Abenteuers auf drei Termine wäre wahrscheinlich zu viel des Guten gewesen – so können die Spieler sich freuen, dass ausnahmsweise einmal alles nach Plan geklappt hat. Vor allem über die Sache mit dem hochentflammbaren Lampenöl hätte man als Realismusfreak sicher diskutieren können, aber soviel Cineastik durfte durchaus sein.

Insgesamt gab es wenig zu beanstanden; manchmal wird vielleicht noch ein wenig viel zwischen den Spielern diskutiert und geplant, was ich in Teilen aber auch noch auf die nicht völlige Vertrautheit mit dem Regelsystem schiebe – wenn man noch kein sicheres Gefühl für Proben und Kampfwürfe hat, ist man lieber vorsichtig. Umso besser, dass die geplanten Aktionen dann wirklich funktioniert haben, wie gedacht – hier kamen Spielerideen und Regelabbildung sehr harmonisch zusammen.

Der nächste Termin wird voraussichtlich Ende Februar stattfinden – bis dahin danke für’s Lesen, und wie üblich freue ich mich über jeden Kommentar.

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