RPGnossar

Hier werden einige rollenspieltheoretische „Fachbegriffe“ in Kürze erläutert, die ich hier auf dem Blog verwende oder selbst entwerfe. Es handelt sich bei weitem um kein vollständiges Glossar der Rollenspieltheorie, sondern um eine lose Sammlung von Begriffen, die mir besonders am Herzen liegen oder über die ich hier auf dem Blog bereits geschrieben habe. Meine Interpretationen müssen dabei auch nicht unbedingt dem „Mainstream-Verständnis“ entsprechen, was ich bei manchen Einträgen auch zu erklären versuche.

Ich bitte um Kommentare, falls Begriffe fehlen, die ihr gerne erläutert hättet – oder wenn es irgendwo noch wichtige Dinge zu ergänzen gibt.

 

Erzählspiel: Eine mit dem Rollenspiel verwandte Art des Spiels, in der die Spieler eine interaktive Narration betreibt, bei der aber nicht wesentlich die Verkörperung und Darstellung eines individuellen Charakters im Vordergrund steht, sondern der Fokus auf der Gesamtgeschichte liegt.

Flow: Psychologisches Phänomen; das „Aufgehen“ eines Spielers im Spielgeschehen. Nicht gleichzusetzen mit der spezielleren Immersion, die das Aufgehen im gespielten Charakter beschreibt – Flow kann auf wesentlich mehr Ebenen stattfinden, auch z.B. beim Hantieren mit Figuren auf der Battlemap, beim Würfeln eines spannenden Kampfes oder dem Lösen verzwickter Aufgaben. Bei einem Flow-Erlebnis ist man so in der aktuellen Tätigkeit versunken, dass man das Zeitgefühl und teilweise auch die Wahrnehmung für die restliche Umwelt verlieren kann.

Gemeinsamer Vorstellungsraum (GVR): auch „shared imagination space“ (SIS); siehe Vorstellungsraum.

Immersion: lat. Eintauchen – das „Aufgehen“ eines Spielers im Wahrnehmen, Denken und Darstellen seines Charakters. Im Extremfall. Wird beim Rollenspiel bei weitem nicht von allen Spielern angestrebt und von noch wenigeren tatsächlich regelmäßig erreicht. Abzugrenzen vom Flow, dem Aufgehen im Spiel an sich, Immersion ist eine spezielle Form von Flow, die sich auf die Identifikation mit seinem Charakter und dessen Situation in der Spielwelt bezieht.

Individueller Vorstellungsraum: der Vorstellungsraum eines einzelnen Spielers; siehe Vorstellungsraum.

Kondition: Die weichen und harten Faktoren eines Rollenspiels, die den Vorstellungsraum maßgeblich beeinflussen. Hier gibt’s dazu einen Artikel.

RAI: siehe rules as intended.

RAW: siehe rules as written.

Realismus: Philosophisches Konzept, das besagt, dass es eine von uns unabhängige Wirklichkeit gibt und wir die Dinge darin so erfassen können, wie sie tatsächlich sind. Für’s Rollenspiel als Ausgangsbasis des Spielwelt-Regel-Realismus interessant.

Rollenspiel: Hobby und Gesellschaftsspiel, dessen Fokus (auf Spielerseite) auf der Darstellung und Verkörperung eines bestimmten Charakters in einer fiktiven, imaginierten Spielwelt (siehe Vorstellungsraum) liegt, die reaktiv durch einen Spielleiter dargestellt wird.

rules as intended (RAI): Die Anwendung einer Regel nicht gemäß ihrem genauen Wortlaut, sondern entsprechend einer (mitunter unterschiedlich interpretierten) „Intention“, die dahintersteht oder dahinterstehen sollte.

rules as written (RAW): Die Anwendung einer Regel gemäß ihrem Wortlaut. Kann in Konflikt mit der (vermeintlichen) „rule as intended“ stehen.

shared imagination (oder imaginary) space (SIS): auch „gemeinsamer Vorstellungsraum“ (GVR), siehe Vorstellungsraum.

Spielertyp: Die Summe an Spielvorlieben einer Person. In manchen Konzeptionen (z.B. nach Robin D. Laws) ein trait (also ein stabiles psychologisches Merkmal) eines Spielers, meiner Ansicht nach eher ein state (also eine flexible Eigenschaft, die stark von den Umständen beeinflusst wird), wie ich hier darzulegen versuche.

Spieltischregeln: Eine Kondition des Vorstellungsraums, die sich auf das Geschehen am Spieltisch und auf die Meta-Ebene des Spielablaufs bezieht. Beispielsweise, ob es einen Spielleiter gibt, welche Spielweisen, Settings oder Genres das System bedienen will, oder ob und wie die Spieler z.B. mit Gummipunkten Einfluss auf die Spielwelt nehmen können.

Spielwelt-Regel-Realismus (SRR): Die Prämisse, Idee oder Forderung, dass die (Spielwelt-)Regeln eines Rollenspiels diese Spielwelt (den Vorstellungsraum) bei Anwendung so abbilden, wie er laut Hintergrund (und Spieltischregeln) tatsächlich ist bzw. sein soll. Nicht mit Hartwurstigkeit und Detailfetischismus zu verwechseln, sondern eher mit der Übereinstimmung oder Verschränkung von Regeln und Hintergrund.

Spielweltregeln: Eine Kondition des Vorstellunsgraums, die sich explizit auf die Elemente der Spielwelt (des Vorstellungsraums) bezieht. Beispielsweise Werte von Charaktere, Kampfregeln, Probenschwierigkeiten (sofern diese auf die Umstände der Spielwelt bezug nehmen) undsoweiter. Abzugrenzen von Spieltischregeln.

stance: (engl. Haltung, Einstellung) – beschreibt das Verhältnis des Spielers zu seinem Charakter. Die vier klassischen Typen sind actor (der Spieler versucht, den Charakter so zu erleben und darzustellen, wie sich das aus dem Geschehen in der Spielwelt in Interaktion mit dessen Eigenschaften ergibt), director (der Spieler lässt seinen Charakter so handeln, dass es die Handlung voranbringt, interessante Wendungen erzeugt oder wie es dramaturgisch notwendig ist), author (der Spieler lässt seinen Charakter so handeln, wie er es selbst für die Spielhandlung als sinnvoll erachtet und konstruiert im Zweifelsfall nachträglich dazu passende Motivationen), und pawn (engl. Bauer; der Spieler lässt seinen Charakter so handeln, wie er es selbst gerade will, unabhängig von charakter- oder spielweltrelevanten Eigenschaften, Situationen oder Motivationen). Eine ausführliche Erklärung gibt’s z.B. bei Socratic Design (englisch).

Vorstellungsraum: Die Spielwelt mit ihren Bewohnern und Handlungsoptionen, wie sie sich jeder Spieler individuell im Lauf des Spielabends imaginiert. Als Gegensatz zur Metapher des „gemeinsamen Vorstellunsgraums„, der das Gemeinsame aller Spieler- (und Spielleiter-)Vorstellungen darstellen soll (vielleicht sogar inklusive dem physischen Spielmaterial), sehe ich den Vorstellungsraum als eine hochindividuelle, nur temporär verfügbare Imagination, die durch verschiedene Konditionen bestimmt wird. Darüber gibt’s eine Artikel-Reihe hier auf dem Blog, die noch nicht abgeschlossen ist.

2 Kommentare zu “RPGnossar

  1. Falk sagt:

    vielleicht könnte man bei Flow und Immersion das „Aufgehen“ noch präzisieren. z.B. dadurch, dass man das Zeitgefühl verliert. Dann können sich die Leser eher etwas unter diesem „Aufgehen“ vorstellen (auch,wenn ich natürlich weiss, was du meinst).

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